Yūdanshakai auf dem Rabenberg, 6.-8.März 2020
I can’t get no satisfaction
I can’t get no satisfaction
‚Cause I try and I try and I try and I try
I can’t get no, I can’t get no
(The Rolling Stones)
Es ist Freitagabend – Zeit fürs Abendessen: Das Buffet hat eine überreiche Auswahl an leckeren Speisen, der eigene Magen nur eine begrenzte Kapazität und dann ist da ja auch noch eine bevorstehende Rollrunde. Überall ein klein wenig kosten, von den Dingen die besonders lecker schmecken noch etwas nachholen? Klingt nach einem guten Plan in der Theorie, um anschließend in den nächsten drei Stunden auf der Matte festzustellen, dass doch mal wieder zu viel zu wohlschmeckend war und nicht (rechtzeitig) zu verdauen ist.
Samstagnachmittag – es hat geschneit, eine Wanderung ist geplant, keiner kennt sich in der Gegend aus, aber wir haben eine Karte. Jemand muss die Initiative ergreifen und einen passenden Weg suchen. Der Plan, welcher in der Theorie auf der Karte gut aussieht, wird irgendwann von der Praxis eingeholt, als umgestürzte Bäume den Weg so versperren, dass ein Weiterkommen nicht möglich ist und ein neuer Weg gesucht werden muss. Hier noch ein Haken, dort noch ein kleiner Umweg – am Ende ist es dann doch wieder etwas länger geworden als am Anfang geplant.
Später Samstagabend – „gemütliches Beisammensein“: der Tisch ist reich gedeckt, jeder steuert etwas bei. Die übergroße Auswahl lockt: lass ich mich verleiten oder genieße ich bewusst? Gibt es einen Unterschied?
Koryū-Uchinādi – auch hier ist der Tisch reich gedeckt: Basisübungen, Solo-Kata, Kata-Anwendungen, Kobudo, Übungen aus sportlichen Diszipinen wie Boxen, Kickboxen, MMA, BJJ, Ringen, usw. Ab der Stufe des Schwarzgurts kann man sich relativ frei entscheiden, wo die eigenen Übungsschwerpunkte liegen. Spezialist oder Generalist – um diese Frage kreiste die Diskussionsrunde. Eine Frage, die sich jeder irgendwann selbst stellt und bewusst oder unbewusst Entscheidungen für seinen weiteren Kampfkunstweg trifft. Wie groß ist meine eigene Übungskapazität, wieviel kann ich „verdauen“? Was ist Koryū-Uchinādi? Was ist Kampf-Kunst? Gehört die Kata dazu, wofür benötige ich diese? Womit wecke ich Interesse, wenn ich in begrenzter Zeit Fortgeschrittenen anderer Kampfkünste einen Einblick in Koryū-Uchinādi geben möchte? Bin ich mit meiner Übung zufrieden, oder sollte und kann die Unzufriedenheit der Antrieb meines Fortschritts sein? Das klingt dann schon wieder nach einem Widerspruch: zufrieden zu sein mit seiner Unzufriedenheit, aber vielleicht finde ich so die notwendige Gelassenheit? Spannende Fragen, welche zum Nachdenken anregen.
Sonntagvormittag – wir kehren zur Basis des Koryū-Uchinādi zurück: „zurück“ zum Nyūmon – Olaf Krey kyōshi begutachtet die Übungen und gibt Rückmeldung. Ab Schwarzgurtniveau sollte die Basis stimmen, dennoch lohnt es sich immer wieder, darauf zu schauen, bevor man sich im überreichen Buffet verliert. Die Basis sollte auch stimmen, bevor ich Bier, Wein oder Whiskey genieße. Theorie und Praxis sollten möglichst widerspruchsfrei zusammenpassen und liefern ein interessantes Spannungsfeld, welches es auszuloten gilt. Es ist gut einen Plan zu haben, auch wenn die Realität diesen über den Haufen wirft. Oder wie Patrick McCarthy sensei gern scherzhaft zu sagen pflegt: „Everbody has got a plan until he is getting punched in the face…“.
Vielen Dank allen Teilnehmern, die dieses Wochenende mitgestaltet haben. Insbesondere an Olaf Krey sensei, welcher immer für uns da ist, wenn wir ihn benötigen, einen Plan hat und die Freiheit, davon abzuweichen, wann immer es nötig ist. Hendrik Felber sensei vielen Dank speziell fürs Organisieren und Felix Hommel sensei für die Vermittlung der Sai-Kata. Arigatō! Sascha Ringel