Une lettre de l’île de La Réunion
Lieber Sascha, vielen Dank für deine Mail! Bonjour la famille Furyu!
Ich lese sehr gespannt jeden Text auf unserer Website, um wenigstens ein bisschen aktuell zu bleiben, was die Kampfkunst in Königsbrück betrifft. Damit ihr das, was meinen kleinen Ausflug betrifft, auch könnt, bekommt ihr jetzt ein kleines Update von mir als Antwort auf Saschas Brief-Bericht, der ja auch seit einigen Wochen auf der Website zu finden ist:
Um mal beim Wetter zu bleiben… In den reichlichen 2,5 Monaten, die ich bereits hier bin, ist die Temperatur nur gestiegen. Bei der Anreise war es zwar etwas kälter als erwartet, aber mittlerweile haben wir in Le Tampon (hier ist der Campus, so wie das Wohnheim) entspannte 25/26 Grad und am Meer in der nächstgrößeren Stadt Saint Pierre meist nochmal plus 2 Grad mehr. Tja, der Indische Ozean hat schon einiges zu bieten, ganz egal ob Schnorcheln mit tropischen Fischen, Übernachtungen in der Hängematte am Strand oder die eine oder andere Surf-Erfahrung. Bei letzterem hab ich kürzlich auch Bekanntschaft mit einem Seeigel gemacht, worauf ich aber in Zukunft eher verzichten würde. Zudem waren wir auch schon vor der Küste der Insel tauchen, im Rahmen eines Uni-Sport-Kurses, und haben unzählige Meeresbewohner, unter anderem auch zwei Schildkröten, beobachtet.
Generell habe ich hier sehr viele praktische Uni-Kurse gewählt um zum einen mit den französischen Studis besser zu connecten, aber auch um mich in Biomechanik oder Neurophysiologie nicht von der französischen Sprache komplett erschlagen zu lassen. Ich belege also Schwimmen, Fußball, Tanzen, Basketball, Tauchen, Mountainbiken und Capoeira. Letzteres ist auf jeden Fall sehr cool mal kennenzulernen, aber doch mehr Tanz-, Instrument- und Gesangs-Kunst als Kampf. Auch die Motivation und das Können der Gruppe ist sehr unterschiedlich, was den Lehrer in meiner Wahrnehmung etwas einschränkt. Da wäre sicher mehr Potential, wenn geschlossen mehr Interesse vorhanden wäre.
Beim Thema Kampfsport ist vielleicht noch ganz interessant, dass ich hier über den Hochschulsport ein mal die Woche Yoseikan Budo trainiere. Das findet hier wenige Meter neben meiner Haustür statt und ist eine lustige Mischung aus oberflächlichem Technik-Training in fast allen Bereichen (Schläge, Fußtritte, Hebel, Wurfansätze) und Sparring in der zweiten Hälfte der Einheit. Das Niveau ist ziemlich durchwachsen, aber durchgehend sympathisch und respektvoll. Auch der Trainer macht seinen Job gut, aber ich könnte des öfteren auch ein bisschen mehr Input von ihm vertragen, wofür die Kapazitäten jedoch nicht ausreichen. Alles in allem habe ich so auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, was Voll-Kontakt-Auseinandersetzungen angeht, nicht ganz einzurosten, mehr aber auch nicht. Meine Solo-Übung ist jedoch stark in den Hintergrund gerückt. Ich hatte zwar vor einigen Wochen zuletzt eine ziemlich gute Kaishu Waza Einheit mit mir selbst, doch seit dem ist, um ehrlich zu sein, bei mir nichts mehr in Richtung der Koryû-Uchinâdi-Formen passiert. Aktuell bin ich etwas erkältet, doch danach möchte ich auch in dem Bereich wenigstens etwas wiederholen um das Feuer am leben zu erhalten.
Was die französische Sprache betrifft, kann ich übrigens erhebliche Fortschritte verbuchen. Diese sind zwar sicherlich auch auf meinen Online(würg)-Kurs von der Uni zurückzuführen, aber vor allem auch durch die Interaktionen mit der einheimischen Bevölkerung, egal ob beim Einkaufen, in einer Vorlesung, in der Mensa oder in der Uni/auf der Party mit Gleichaltrigen. Alle sprechen nur Französisch, und ich kann mich mittlerweile zumindest verständigen und spürbar mehr als die Hälfte, wenn auch lange nicht alles, verstehen. Kommt auch immer ein bisschen auf die Sprechgeschwindigkeit und den Dialekt an, da gibt es wirklich himmelweite Unterschiede.
Aus diesen ganzen Interaktionen sind zwar nette Bekanntschaften entstanden, aber nicht wirklich Freunde. Anders sieht es da bei den ERASMUS-Studis aus, die neben mir auch auf der Insel sind. Die sind nämlich zu 80 Prozent deutsch (haha) und durchgehend sehr nett und offen. An freien Tagen haben wir schon sehr viele Wanderungen unternommen, mit Baden in Wasserfällen, Rutschen auf natürlichen Steinrutschen, Betrachten des Sonnenaufgangs und unglaublicher Natur. Ein Highlight bezüglich solcher Natur-Erfahrungen war das Canyoning, welches wir auch über den Uni-Sport gebucht haben, bei dem wir von bis zu 20m hohen Wasserfällen abgeseilt wurden in Mitten eines verregneten Regenwaldes.
Alles in allem hab ich hier die Zeit meines Lebens und bin der Überzeugung, auf jeden Fall den besten Standort für eine ERASMUS-Mobilität gewählt zu haben. Überall hats Palmen, gutes Wetter, Meer und Berge sind von meiner Haustür aus zu sehn und es gibt ganz, ganz, ganz viele nette Menschen hier. Wenn ihr noch Genaueres wissen wollt, schreibt mir gerne oder ruft mich an. Ich wünsche euch ein richtig gutes Seminar mit Ante sensei und Olaf sensei und bin sehr gespannt auf mindestens einen Bericht von eurem Wochenende. Bis bald! Friedrich