24.Fûryû-Gasshuku, 17.-21.Mai 2023 in Schellerhau

Ein kurzer Text über Verantwortung, Entscheidungsstärke und einen Grafen Mager

Lasse ich nach einigen Tagen das zurückliegende Furyu-Gasshuku Revue passieren, dann bleiben mir die folgenden beiden Schlüssel-Erkenntnisse in Erinnerung – die Übernahme von Verantwortung und das Legen des Fokus auf das Entscheiden. Beides sind für mich keine Erst-Erkenntnisse, sondern vielmehr eine Bestätigung ihrer Bedeutung, die man sich immer und immer wieder vor Augen führen muss. Das ist mühsam, sind wir doch alle nicht vor der eigenen Bequemlichkeit gefeit.

Verantwortung trägt ein jeder von uns in mehr oder minder großem Rahmen – sei es für sich oder für andere – sei es in der Familie, in der Schule, im Beruf oder in der Kampfkunstgemeinschaft – sei es als Elternteil, Kind, Lehrer, Schüler, Vorgesetzter, Mitarbeiter oder eben als Kampfkunstlehrer/-schüler.

Die Verantwortung, die ich trage, geht zwangsläufig mit dem Treffen von Entscheidungen einher. Dafür brauche ich zuerst ein Bewusstsein dafür und zweitens den Mut. In Gesprächen kamen wir bspw. darauf, dass wir aus gesellschaftlicher Sicht vor dem Hintergrund des Klimawandels die Verantwortung haben, für uns entsprechende Entscheidungen zu fällen. Das Spektrum dafür ist zweifellos groß und reicht vom Verzicht auf eine Flugreise bis hin zum „Klimakleben“.

Nicht von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, wohl aber bedeutsam für unsere Kampfkunstgemeinschaft ist die Verantwortung des Einzelnen, einen Beitrag zu leisten. Zum Beispiel, wenn wir den Furyu-Pass mit seinen vielen (unverständlichen?) Inhalten durchgehen. Hierbei kann sich ein jeder einbringen, sei es mit Nachfragen (Anfänger) oder mit Erläuterungen (Fortgeschrittener). Wichtig ist die Verantwortung für sich und die Gruppe zu übernehmen sowie die Entscheidung zur Beteiligung zu treffen – „taking action“, wie auf dem Sweatshirt eines Anwesenden zu lesen war.

Beides – die Übernahme von Verantwortung und die Entwicklung von Entscheidungsstärke – können wir in dieser sicheren Umgebung erlernen und dann außerhalb anwenden. Beide Dinge sind nicht nur, wie erwähnt, im alltäglichen Leben bedeutsam, sondern diese Fähigkeiten benötige ich genauso dringend in einer Selbstverteidigungssituation.

Und obwohl wir um unsere Verantwortung und das Erfordernis zur Entscheidung wissen, fällt es uns manchmal schwer, diesen einen Schritt zu gehen – sei es aufgrund fehlenden Mutes oder just in diesem Moment fehlender Kraft. Menschliche Schwäche und Stärke liegen eng beieinander und im nächsten Moment kann ich, wenn ich will, aus einem verpassten Moment heraus wieder Stärke zeigen. Und deshalb üben wir (auch): um mutiger zu werden, um uns geistig zu stärken. Das geht am besten in der genannten geschützten Umgebung, wenn man füreinander und miteinander präsent ist: in einem Gasshuku beispielsweise.

By the way – Felix hatte sich entschieden, seinen 33. Geburtstag mit uns im Gasshuku zu verbringen, obwohl er daheim seine Frau und seinen kleinen Sohn wusste.

Aus technischer Sicht empfand ich es durchaus als angenehm, dass wir uns dieses Mal nicht mit einem speziellen Thema beschäftigt haben, sondern „kreuz und quer“ durch das Nyûmon trainiert haben. Ebenso kam die Übung im Kobudô mit Bô, Tonfa und Sai nicht zu kurz.

Während unserer zahlreichen Übungen auf einer osterzgebirgischen Wiese bei herrlichstem Frühlingswetter, Vogelgezwitscher und Kräuterduft meinte eine Gruppe Vorbeiwandernder den Grafen Mager unter uns gesehen zu haben – vermutlich israelischer Herkunft. Wie dem auch sei – als dann begleitete uns dieser als guter Geist durch das gesamte Gasshuku.

Ich freue mich, dieses Jahr wieder dabei gewesen zu sein und danke allen Mitübenden für die schöne, lehrreiche, entspannte, anstrengende, mitteilsame, schweigsame, erkenntnisreiche und kennenlernende Zeit, nicht zuletzt bei sehr schmackhaftem Essen.

Besonderer Dank gilt Hendrik und Felix für den Rahmen, die Struktur und die Impulse das Gasshuku betreffend sowie das Aufzeigen von Perspektiven.

Ganbatte!

Lutz Auerbach