Seminar mit Olaf Krey kyôshi in Gärtringen am 22. und 23. März 2025
„Freies Kämpfen“
Kann ein Mensch oder ein Übungskampf ganz frei sein? Genauso wenig, wie ein Mensch etwas dafür kann, dass er überhaupt in diese Welt mit ihren physikalischen Gesetzmäßigkeiten geboren wurde und wo das passierte, kann er etwas für den Namen, der ihm gegeben wurde, und seine Erziehung. Das ist aber nicht die letzte verlesene Messe, denn Chancen ergeben sich womöglich, etwas an sich oder der Umwelt zu ändern, sich selbst woanders hinzuziehen oder zu erziehen oder sogar den eigenen Namen zu ändern. Die Freiheitsgrade sind also nicht in unendlicher Zahl vorhanden, jedoch gibt es sie und sie sind bespielbar, sofern wir nicht an eine vollständige Determiniertheit des Menschen glauben. Gekämpft wird in eben gleicher Welt. Der Kampf folgt gewissen Gesetzmäßigkeiten und, solange er im Training stattfindet oder ich selbst, wenn es um mein Leben geht, mögliche juristische und moralische Konsequenzen eines Kampfes nicht ausblende, ist er immer eingeschränkt durch Regeln oder Hemmungen. Aber im Gegensatz zum abgesprochenem Kampf 約束組手 (Yakusoku kumite), also einer recht streng festgelegten Abfolge, die eher einer Choreographie gleichen kann, ist im 自由 組手 (Jiyû kumite) nicht vorgeschrieben, wann welche Technik passieren sollte. Die Form der Kampfübung ist also freier.
Olaf Krey kyôshi eröffnete einen Zugang zum Thema über drei Etappen einer kämpferischen physischen Auseinandersetzung, die durch die Distanz zwischen ihren Beteiligten und ihren Körpereinsatz maßgeblich charakterisiert werden. In einem reglementierten Kampf, etwa einem Sportwettkampf, kann es sein, dass nicht alle Phasen zulässig sind. In einer Selbstverteidigungssituation, womit wir uns nicht vorrangig an diesem Wochenende beschäftigt haben, gibt es dagegen keine Regeln.
1: Die Phase der freien Bewegung – Beim Kampf wird die Bewegung im Raum nur durch den Untergrund, auf dem wir stehen, eingeschränkt (zumindest so lange es nicht ähnlich wie bei der Hummel ist, die ja auch eigentlich nicht fliegen kann, aber der es nur nicht verraten wurde, oder wir nicht nur vor Scham, sondern auch physisch blitzschnell im Boden versinken können – Erkenntnis hat ihre Grenzen!). Hier wird oft geschlagen und getreten. Wird die Distanz vergrößert, dann wird wohl der Kampf vermieden oder verlagert. Wird sie verkürzt, dann wohl, um mehr physische Kontrolle zu erlangen, etwa um Schläge und Tritte zu meiden in der nächsten Phase:
2: Die Clinchphase – Die KämpferInnen konnten einen Haltegriff aneinander etablieren, der die Bewegung einschränkt, was in beide Richtungen gilt. Vorzugsweise sollte der eigene Griff die Bewegung des Gegenübers stärker einschränken oder mehr Lücken in der Deckung schaffen oder mehr Gleichgewichtbrechen ermöglichen als andersherum. Schlagen und Treten sind jetzt nur noch begrenzt möglich, wobei oft nur noch Knie-, Kopf- und Ellenbogenstöße richtig wirksam sind. Selbstverteidigungssituationen beginnen oft hier, also mit Schubsen und einem Griffkampf oder einem instinktiven Festhalten an der schubsenden Person. Wird in dieser Phase nun der Griff gelöst, geht’s zurück zur Phase 1, aber sollte das Brechen des Gleichgewichts in einem Niedergang zu Boden münden, dann verlagert sich der Kampf auf Phase…
3: Bodenkampf – Die Bewegung ist nun für die liegende Person stärker eingeschränkt, besonders, wenn die andere ihr ganzes Gewicht nutzt und sich auf die andere Person legt. Wer hier keine Ahnung hat, sollte schnell wieder versuchen, aufzustehen. Wer hier einen kleinen Vorsprung in den Fähigkeiten hat, kann wahrscheinlich bei sonst ähnlichen Konditionen der KämpferInnen den Kampf schnell für sich entscheiden. Natürlich kann hier auch geschlagen werden, jedoch gibt es derart unterlegene Positionen, dass Schlagen aus einer solchen heraus völlig sinnlos wäre.
Es gilt generell beim freieren Kämpfen, dass ich nicht unbedingt in derjenigen Phase sein muss, die ich am liebsten habe oder in der ich am besten bin, um für eine Verschiebung der Verhältnisse zum eigenen Vorteil zu sorgen. Vielmehr soll die Phase gefunden und zum eigenen Vorteil genutzt werden, in der ich im Vergleich mit meinem Gegenüber den größten Vorsprung habe. Wer zum diesem Thema nachlesen mag, kann das gern hier tun: Mastering Jujitsu. Gracie, Danahar 2003.
Großer Dank geht an das Gärtringer Team, insbesondere Steve fürs organisieren und willkommen heißen eines alten Freundes. Ich danke Olaf ganz besonders für seine Lehren, aber ebenso fürs illustre Kloppen. Das gilt auch für Andy. Felix Hommel


